Die Provinz Chiang Mai im Norden von Thailand versinkt jedes Frühjahr wochenlang im Smog. Bauern verbrennen dann auf ihren Feldern Pflanzabfälle und produzieren jede Menge Feinstaub. Doch es gibt eine Alternative, die auch dem Klima hilft: Aus den Abfällen Kohle herstellen.
Aus Chiang Mai (Thailand) Christian Mihatsch
Das tropische Klima im Norden Thailands kennt eigentlich nur drei Jahreszeiten: die kalte und die heiße Zeit sowie die Regenzeit. Doch für die Monate März und April hat sich im Volksmund eine vierte Bezeichnung etabliert: die „Brandsaison“. Zu erkennen ist sie an der Luftverschmutzung. Der Himmel ist nicht blau, sondern braun-grau und viele Menschen tragen Atemschutzmasken.
Grund für den Smog sind nicht etwa Stahlwerke oder Kohlekraftwerke, sondern die Landwirtschaft. Die Bauern flammen ihre Felder ab, um sie für die nächste Aussaat vorzubereiten. Die Folgen dieser Art der Bewirtschaftung lassen sich dann an den Messwerten für Feinstaub ablesen.
Für Staubpartikel, die kleiner sind als 2,5 Mikrometer (PM 2,5), wurden dieses Jahr bereits Konzentrationen gemessen, die den EU-Grenzwert um das Sechsfache übersteigen und als „sehr ungesund“ gelten. Denn diese kleinen Staubpartikel gelangen bis tief in die Lunge und können sogar durch die Lungenbläschen in die Blutbahn gelangen.
Die Messwerte zeigen, dass das strikte Abflammverbot der thailändischen Behörden auch dieses Jahr nicht greift. Dabei wurde sogar eine Belohnung ausgesetzt: Wer illegale Feuer meldet, bekommt 5.000 Baht (136 Euro). Das entspricht dem Mindestlohn für 16 Tage Arbeit. Doch die Feuer lodern weiter.
„Die Bauern haben keine andere Wahl“, sagt Michael Shafer von der Nichtregierungsorganisation Warm Heart Foundation im Distrikt Mae Chaem der Provinz Chiang Mai. „Es ist die Arme-Leute-Lösung für ein unmögliches Problem: Was tun mit großen Mengen an Abfall, der viel Arbeit macht, keinen Marktwert hat und das Anpflanzen unmöglich macht? Sie müssen ihn verbrennen.“
Pflanzenkohle aus dem Ölfass
Dabei gehen gigantische Mengen an Reis- und Maisstroh in Flammen auf. Shafer schätzt, dass die knapp 50.000 Einwohner von Mae Chaem 95.000 Tonnen Pflanzenabfälle produzieren, die jedes Jahr in Rauch aufgehen. Dabei entstehen knapp 600 Tonnen Feinstaub. Außerdem werden Ammoniak, Stickstoff, Ozon, Schwefelverbindungen und andere Smogbestandteile freigesetzt. Deshalb ist es wenig verwunderlich, dass das „grüne“ Chiang Mai von allen thailändischen Provinzen die höchste Rate an Atemwegserkrankungen aufweist.
Für Chiang Mais Smogproblem gäbe es aber eine Lösung: Biokohle, auch Pflanzenkohle genannt. Diese kann in einem einfachen Kohleofen produziert werden, der aus einem alten Ölfass und einem Deckel mit Rauchabzug besteht. Der Clou: Im Rauchabzug wird der bei der Verkohlung entstehende Rauch ein zweites Mal verbrannt. Dabei gehen die Feinstaubpartikel in Flammen auf und das Resultat ist pures CO2.
Ein Ofen bestehend aus einem 200-Liter-Fass kann mit rund 40 Kilo Pflanzenresten befüllt werden. Innerhalb einer Stunde werden diese in zehn bis zwölf Kilo Biokohle transformiert. Eine Familie mit drei bis vier Mitgliedern und zehn dieser Öfen kann so 100 Kilo Kohle pro Stunde produzieren – ein Produkt mit einem Marktwert.
Biokohle kann das Klima schützen
Besser als die Kohle zu verkaufen und zu verbrennen ist aber, sie als Dünger zu nutzen. Durch die „Kohledüngung“ kann der Boden Wasser und Nährstoffe besser zurückhalten und filtern. Dies haben sich die Indianer im Amazonasgebiet zu Nutze gemacht. Zwischen 500 vor und 1000 nach Christus haben sie den Boden systematisch mit Kohle angereichert und nachhaltige Stadtkulturen im Regenwald geschaffen. Diese Erde heißt denn auch terra preta do indio oder „indianische Schwarzerde“.
Die Kohledüngung hat aber einen weiteren Vorteil: Der in der Biokohle enthaltene Kohlenstoff wird für Jahrtausende im Boden gebunden. Durch die Herstellung von Biokohle aus Pflanzenabfällen und die anschließende Nutzung als Dünger wird der Atmosphäre also CO2 entzogen.
Biokohledünger ist eine von nur zwei Technologien, mit denen „negative Emissionen“ im großen Stil erzielt werden können. Eine Studie im Wissenschaftsjournal Global Change Biology schätzt, dass der Atmosphäre jährlich 2,6 Milliarden Tonnen CO2 durch Biokohledünger entzogen werden könnten. Das entspricht etwa den CO2-Emissionen Indiens.
Zurück zum Smog in Chiang Mai. Um die Biokohleproduktion anzuschieben, kauft die Warm Heart Foundation den Bauern in Mae Chaem dieses Jahr die Biokohle für 2.000 Baht (55 Euro) pro Tonne ab. Anschließend mischt sie die Biokohle mit Kompost und produziert so zwei Düngersorten. Dieser Dünger wird dann verkauft.
Doch noch ist das Projekt zu klein, um eine messbare Verbesserung der Luftqualität zu erreichen. „Wir müssen für den Dünger unbedingt eine große Vertriebsfirma finden“, sagt Shafer. „Sonst wird das nicht funktionieren. Wir sind schließlich nur eine kleine Nichtregierungsorganisation.“
Zum Originaltext: http://www.klimaretter.info